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Abb.  O.T. Nr. 76/74,  analoge Farbfotografie, C-Print, 122 x 83,7  cm, Aachen 1997

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„unSICHTBARE WIRKLICHKEITEN“, ASPEKTE ZEITGENÖSSISCHER DEUTSCHER FOTOGRAFIE 

GEHEN WIR VON EINER EINFACHEN FESTSTELLUNG AUS: WENN WIR WAHRNEHMEN, DURCH DAS AUGE ODER DAS AUGE DES OBJEKTIVS, IST ES SO, ALS SEI DER RAUM VON EINER NAHEZU UNENDLICHEN ANZAH VON EBENEN UNTERTEILT, VON DENEN SCHLIEßLICH EINE FIXIERT WIRD, UM DIE ÜBRIGEN UNSCHARF WERDEN ZU LASSEN. WENN WIR WAHRNEHMEN, ENTSCHEIDEN WIR UNS ALSO FÜR EINE EBENE VON WIRKLICHKEIT. WICHTIG DABEI IST ABER, DASS DIE EINE SELEKTIERTE EBENE IMMER AUCH DIE SUMME DER ANDEREN IST. DIE OBERFLÄCHE IMMER AUCH DIE TIEFE, DIE EINE WIRKLICHKEIT IMMER AUCH DIE GESAMTHEIT DER ANDEREN. DER SCHNITT IM RAUM DEN FOTOGRAFIE VORNIMMT, IST DAMIT ZUGLEICH EIN TIEFERES RÄUMLICHES KONZENTRAT. 

Verbinden wir das mit einer zweiten Beobachtung, die wir als etwas Widersprüchliches empfinden. Je klarer und eindeutiger die Fotografie sich reduziert auf ihre Mittel, eine Form  einen Ausschnitt, desto freier und komplexer wird der Raum der Assoziationen, den wir als Betrachter haben. Um es radikal zu formulieren: je distanzierter, neutraler, kühler, flacher, desto näher, persönlicher, lebendiger und räumlicher wird die Wirkung, die die Bilder auf uns ausüben.

Auch hier geht der Schnitt in beide, in viele Richtungen und wird letztlich zu einer Summe. Die Oberfläche der Fotografie wird plötzlich als offene, atmende Membrane lebendig. In ihr konzentriert sich etwas, das wir als Wesentliches, als ein eigentliches Ich wahrnehmen und spüren. Unsichtbares steigt in das Sichtbare. Verborgenes findet den Weg in die Filmhaut. Es ist ein Entdecken tieferer Strukturen, eine Annäherung an eine tiefere Essenz, die den Dingen und den Menschen innewohnt. 

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Gerhard Efferts
(Katalogauszug)

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Die Fotografie von REINER NACHTWEY bildet nicht ab. Sie setzt die fotografischen Techniken als Mittel ein, um hinter dem Sichtbaren weitere, mehrdeutige und vielschichtige Strukturen, < Antworten >, offen zulegen. Das gilt auch für die Serie der Boote. Nachtwey entdeckte diese überwiegend zerstörten, alten Fischerboote in der Bretagne.

Durch Überlagerung, Vermischen und Multiplizieren der Schichten erreicht er eine Unschärfe, die hinter der erkennbar bleibenden Form der Boote eine andere sichtbar werden läßt, jene des Skeletts. Die Arbeiten verweisen so auf den Totenkult: in vielen Kulturen werden die Verstorbenen in Boote gebettet und auf See geschickt. Andere Kulturen glauben, daß ihre Toten nur mit einem Boot die Unterwelt erreichen. Die tiefere Struktur ist in diesem Fall die menschliche Reise von Werden zu Vergehen, eine Reise, die sich auch in der bildnerischen Auflösung der Bootsarchitektur spiegelt.

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Gerhard Efferts
(Katalogauszug)

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Abb.  O.T. Nr. 77/77,  analoge Farbfotografie, C-Print, 89,8 x 59,8 cm, Aachen 1997

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Abb.  O.T. Nr. 75/61, analoge Farbfotografie, C-Print, 89,8 x 59,8 cm, Aachen 1997