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… Die Vorgabe des Museums war durchaus der Wunsch nach Irritation, als der Aachener Lichtbildner, der im Fachbereich Design an der Fachhochschule Düsseldorf lehrt, aufgefordert wurde, sich Punkte, besser Störfelder in der statischen Umgebung zu suchen. In allen drei Stockwerken griff Reiner Nachtwey in die Zusammenhänge einer Gesamtpräsentation von Architektur, Möbeln und Hausgerät ein. Naturgemäß tauschte er dabei vornehmlich Gemälde und gemalte Tapeten durch seine Photographien aus.

Reiner Nachtwey hat die Photographien nicht für die Installationen im Couven Museum angefertigt; diese entstanden unabhängig in den Jahren 1995 und 1994. Die Technik kann als destruktive Photographie bezeichnet werden. Nachtwey reproduziert einen spezifischen Bildvorwand, bei den im Couven Museum gezeigten Bildern das öffentliche Menschenbild aus der Tagespresse, auf ein Diapositiv. Durch vielfache bildverunklärende Reproduktionen wird das Thema abstrahiert. Auch können zwei oder mehrere Diapositive mit dem gleichen Effekt übereinander kopiert werden. Nach dem technischen Klischiervorgang werden die Positive ins große Format übertragen.

Fernab von jeder konkreten Bildaussage geben diese Arbeiten die Möglichkeit zur phantasiereichen Allusion. Seltsam flirrende Lichtbalken verdecken die ursprünglichen Bildinhalte, wie mit dem Lichtschreiber gezeichnete Figuren, die gerade noch zu dechiffrierenden Menschenbilder, tauchen vor den indifferenten Hintergründen auf, die der Betrachter zumeist vergeblich zu entschlüsseln sucht. In der Umgebung zwischen Rokoko und Biedermeier erscheinen die Arbeiten von Reiner Nachtwey wie eine doppelte Verschlüsselung. Und ohne es angestrebt zu haben, nehmen die Photographien wieder Bezug zu den abgehängten Porträts auf.

Reiner Nachtwey fühlt sich mit seiner Arbeit keiner photographischen Tradition verpflichtet, im Falle der Installation im Couven Museum jedoch der Porträtmalerei am Vorabend der Photographie. Sehr bald nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Reiz des Lichtbildes von Künstlern erkannt und auch als Medium verwendet. Mit Reiner Nachtweys photographischen Arbeiten im Couven Museum wird somit eine Brücke geschlagen vor das photographische Zeitalter, das wir vor kurzem mit der Kunsttechnik der Videoaufzeichnung verlassen haben. Mit dem Eingreifen in lange gewohnte Zusammenhänge wird Nachtwey den Wunsch auf die erwartete Gemütlichkeit bei einigen Besuchern stören, er schenkt vielleicht aber auch neue Einsichten.

Ulrich Schneider
Direktor der Museen der Stadt Aachen

Fotografie: Anne Gold

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Fotografie: Anne Gold