„GLASZEIT“ nennt der in Würselen lebende Foto-Künstler Reiner Nachtwey intern seine Ausstellung in der Heerlener Galerie Signe. In der Tat, manches in seinen neuen Arbeiten erinnert an das Zerspringen von Glas: In diesen farbigen Bildern scheinen zuweilen die Dinge zu zerplatzen. Realitätssplitter, die zwar meist definierbar, aber nicht genau einzuordnen sind: Bomber, Flugapparate, Landschaftspartien, große Hasen, und, ein weiteres Standardmotiv des Künstlers, menschliche Figuren, im Kopfsprung begriffen. Lauter Gebilde, die Flug und Flucht bedeuten, aber auch Zerstörung und Chaos, vor allem bei feuerrotem Hintergrund.
Einige Formen erinnern mich an die Gerippe ausgebrannter Kirchenkuppeln nach einem Luftangriff, aber, wie Nachtwey erklärt, sind es die Tragwerke merkwürdiger
Flugapparate, die er in einer Zeitscchrift abgebildet fand. Gleichwohl, dem Künstler geht es ohnehin nicht so sehr um die Darstellung konkreter Situationen. Ebensowenig will er den Betrachter auf bestimmte Interpretationen festlegen, freie Assoziationen sind durchaus gewollt – auch wenn dieser immer wieder um eine gewisse Katastrophen-Stimmung kreisen. Selbst ein so harmloses Motiv wie der Hase löst durch Nachtweys Inszenierung Gefühle der Angst aus. Eine aus dem Bilderfundus der Massenmedien montierte, bedrohlich wirkende Welt, deren Suggestivkraft sich niemand entziehen kann.
In Nachtweys neuesten Arbeiten verflüchtigt sich das Gegenständliche immer mehr, es zersplittert nicht nur, es ist – um den internen Titel seiner Ausstellung nochmals aufzugreifen – teilweise wie hinter Milchglas zu sehen.
Der vierzigjährige Nachtwey, promovierter Kunstpädagoge und seit 1979 Professor an der Fachhochschule Düsseldorf, benutzt für seine Arbeiten Illustrierten-Fotos, die er ablichtet und auf vielfältige Weise in der Dunkelkammer bearbeitet, im Diaduplikator übereinanderlegt und durch Licht sozusagen zusammenschweißt. An die „Superenergie Licht“, wie Nachtwey sagt, erinnert denn auch eine seiner neueren Arbeiten: man erkennt, überdimensional vergrößert, den Glühfaden einer Glühlampe. ….
Gernot Geduldig, Aachener Nachrichten 27.11.1090
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